Montag, Mai 15

Die schaurig-schoene Musikfibel

Jim Nayder (nicht zu verwechseln mit Ralph Nader, auch wenn beide eine sehr seltsame Gefolgschaft haben) hat es sich zur Berufung gemacht, die schlechtesten Songs dieser Welt in seiner "Annoying Music Show" zu praesentieren. Ganz im Sinne von Dave Barry's "Book of Bad Songs", das allerdings im Mainstream verblieb. Nayder sucht hingegen das abwegige, das dilettante, das grausame und landet bei pakistanischen Entertainern, Rentnercombos und Prominenten, die sich an einer Gesangskarriere gruendlich verhoben haben. Ich bin bereits vor ein paar Jahren mit der hinreissenden "La Paloma"-Reihe (Teil 1, 2, 3 & 4) auf den Geschmack gekommen; neben wunderbaren Bearbeitungen fanden sich dort auch sehr grenzwertige Interpretationen; ich erinnere mich vor allem an eine Version mit klassischen chinesischen Instrumenten und Beatbox. So war es eine Offenbarung, von Jim die "most annoying mother's day songs" serviert zu bekommen; es ist schon erstaunlich, wieviel Sexismus sich in 3 Minuten verstauen laesst oder wieviel ueberexaltierte Froehlichkeit man Menschen mit dem richtigen Drogencocktail entlocken kann. Nach 60 Minuten schaurig-schoener Hoertortur wird einem klar: Kunst liegt im Auge des Betrachters. Und augenscheinlich schlechte Kunst ist auch unterhaltsam; sogar um Laengen unterhaltsamer als der tagtaegliche Durchschnittsbrei im Formatradio. Am Ende stellt man sich dann Fragen wie "Was haben die sich dabei gedacht? War das ernst gemeint oder nur gewolltes anderssein? Was steckt dahinter?"; schlechte Kunst laesst einen immer wieder die eigenen Wertmassstaebe ueberprufen ("Warum finde ich das so schlecht? Was muesste man aendern, um den Song ertraeglich zu machen?") und ermutigt zur Auseinandersetzung mit dem Kuenstler. Da dies allerdings nicht von der Plattenfirma als Kaufimpuls interpretiert wird und solche Sendungen sicher den Absatz weniger stark ankurbeln wie ein Beyonce-Special muss man davon ausgehen, dass solche Sendungen wohl unter das mediale Artenschutzabkommen fallen. In Deutschland sind sie jedenfalls schon ausgestorben. Kurzsichtig, zwei linke Haende und auch noch Angst vor'm Ball? Egal, wenigstens einen kurzen Moment darf jeder mal mitspielen; waehrend die Profis sich einen Moment ausruhen, sorgen die Hauptvertreter der Annoying Music fuer Unterhaltung - und lassen sich von ihrem Mangel an Talent ueberhaupt nicht irritieren...Nayder, uebernehmen sie!
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